Hyderabad war unsere erste Beruehrung mit dem moslemischen Teil der Indischen Gesellschaft. Eine Beruehrung die leider von beiden Seiten nicht als angenehm empfunden wurde. Aber beginnen wir vorne, bei der Anreise:
Von Trichy ging es Flugs mit dem Zug weiter nach Chennai, wo wir nicht viel unternommen haben, da in Chennai nicht viel zu tun ist: Laute, wirklich laute Strassen, ein stinkender, wirklich stinkender Fluss und Hotels, die zu teuer, wirklich viel zu teuer sind. Am naechsten Tag ging es dann um 17:00 Uhr in unserem ersten Sleeper-Train weiter: Cool, wie wir waren, hatten wir diese Fahrt schon vor 2 Wochen gebucht und hatten deshalb die bessten Plaetze fuer uns reserviert: die oberen Betten. Ein Abteil in einem Sleepertrain hat zwei gegenueberliegende Baenke mit jeweils 3 Sitzplaetzen. Zum Schlafen werden daraus je 3 Betten, da die Rueckenlehne nach obengeklappt werden kann und daraus auch ein Bett wird(s. Photo, das bin aber nicht ich, sondern ein gewisser david von oheimb von dessen Website [david.von-oheimb.de] ich dieses Bild geborgt habe). Der Vorteil der oberen Betten: Man kann waehrend der ganzen Fahrt dort abhaengen und kann die ganze Zeit liegen, wenn man will. Von Chennai waren es 14 Std, dass heisst wir sollten um 7:30 morgens in Hyderabad ankommen. Letzendlich hatte der Zug aber 1 std Verspaetung und wir sind falsch ausgestigen(eine Station zu frueh) und mussten deswegen von Secunderabad nach Hyderabad einen Bus nehmen, was aber weder viel Geld noch Zeit kostete.
Nun faengt die Verwirrung an: Auf dem Weg zum Hotel trafen wir einen netten, jungen Inder, der wie gewoehnlich die ueblichen Fragen nach Herkunft, Namen etc. fragte. Dieser wollte uns ein Restaurant zeigen und da wir Hunger hatten, liessen wir uns von ihm in ein Restaurant fuehren. Den angebotenen Chai lehnte er hoeflich ab und auch sonst war er eine relativ angenehme Begleitung, was noch durch sein Stottern unterstrichen wurde. Er zeigte uns den Weg zu einem Hotel, dass sehr angenehm war und feste Preise hatte wodurch klar war, dass er keine Kommision vom Hotel erhalten wuerde. Wir verabredeten uns fuer den Nachmittag, Hyderabad gemeinsam zu besichtigen, da wir vorerst erstmal nach der Zugreise eine kleine Verschnaufspause brauchten.
Puenktlich stand um 14:30 Srigath, der Inder vor unserer Tuer, und fragte ob er wohl seine Studienunterlagen in unserem Zimmer ablegen koennte. Wir bejahten und ich ging mit Ihm kurz in unser Zimmer, wo er nur sein Heft in unser Zimmer legte. Erst als wir wieder unterwegs waren fiel mir der Grund fuer dieses Verhalten ein: Nun konnten wir uns nicht einfach hoeflich von Ihm trennen, da ja sein Heft noch in unserem Zimmer lag. Und schon fingen die Meinungsverschiedenheiten an: Er wollte uns zum Birla Mandir Tempel fuehren, aber wir wollte erstmal zum Charminar, dem Wahrzeichen von Hyderabad gehen. Er wollte mit dem Bus fahren, wir wollten gehen. Er wollte noch etwas warten, da es zu heiss war, wir wollte sofort losgehen. Insgesamt liessen wir uns nicht von Ihm von unseren Plaenen abbringen, aber es wurde alles etwas komplizierter. Das Charminar war wunderbar und der umgebende Bazar war beeindruckend. Als wir dann die nahegelegende Mecca Masjid besichtigten, fingen einige Kinder ploetzlich an uns aggressiv zu nerven und Nicole obszoen zu belaestigen. Da sie sich weder durch laute Drohungen noch Ignorieren beeinflussen liessen und weit und breit andere Inder sich nicht beteiligt fuehlten, blieb uns nur die Flucht. Srigath meinte wir sollten die Kinder nicht bedrohen, da dies unweigerlich zu einer Eskalation der Probleme mit dem moslemischen Teil der Bevoelkerung fuehren wuerde. Als wir dann weitergingen, kamen wir an einigen Kindern vorbei, die uns in das Geschaeft Ihres Vaters/Onkels/Besitzers noetigen wollten. Auch hier mit einer Penetranz und Aggressivitaet, die wir vorher in Indien nicht erlebt haben. Es schien, als laege der brandige Geruch von religioesen Unruhen in der Luft. Ein Inder den ich um Hilfe bat, mir die Kinder vom Hals zu schaffen, da ich keine Gewalt anwenden wollte, schrie den Kindern was zu worauf sie von mir abliessen und auf meinen Dank sagte er nur, "Just leave". Wir baten Srigath dann uns bitte einen Bus zu nennen, mit dem wir wieder zu unserem Hotel fahren konnten. Er fuehrte uns daraufhin weiter in den moslemischen Teil der Stadt und war zuerst nicht in der Lage, uns den Bus zu zeigen. Nach einiger Zeit fand er dann doch den richtigen Bus und wir fuhren in unser Hotel zurueck. In der Rezeption bat ich Srigath zu warten, damit ich ihm seine Sachen holen koenne. Ich wollte nach all dem Stress auf keinen Fall, dass ein Fremder in unser Hotelzimmer kommt. Als ich jedoch die Treppe nach oben gegangen war, folgte er mir, obwohl auch Nicole ihn aufforderte bitte unten zu warten. Ich traf Ihn dann auf der Treppe und drueckte Ihm seinen Hefter in die Hand. Er fragte dann ob er wohl unsere Toilette benuetzen koenne, eine bitte, die er schon zu vorher mehrfach geaeussert hatte und die wir jedesmal abwiesen. In Indien ist diese Bitte nicht nur ungewoehnlich, sondern einfach grotesk: Ueberall, selbst an Tempelmauern pinkeln Inder voellig ungeniert. Nach all diesen merkwuerdigen Erlebnissen, deren Desorientierung nur schwer in Worte zu fassen ist und noch schwerer nachzuvollziehen ist, waren wir beide sehr verwirrt: Die Rolle des Inders Srigath und seine Motivation war nicht wirklich zu verstehen. Klar war allerdings, dass er nicht nur auf den hoeflichen Kontakt und das Interesse an der auslaendischen Kultur aus war. Seine Ambitionen in unser Hotelzimmer zu gelangen ueberschritten die Grenzen der Hoeflichkeit bei weitem. Ob er ein Dieb war oder was auch immer er vorgehabt hat werden wir wohl nicht mehr herausfinden.
Den zweiten Tag verbrachten wir dann im noerdlichen (hinduistischen) Teil der Stadt und besichtigten die Stadt und einen Tempel. Am dritten Tag, wir waren schon fast bereit, unsere Erlebnisse als etwas ueberspannte Interpretationen ad acta zu legen, besuchten wir das sagenhafte Golconda-Fort 11km westlich von Hyderabad. Nach der schwierigen Aufgabe einen Bus zu finden, der uns dorthin bringt, besichtigten wir das Fort und wollten danach die nahegelegenen Grabstaetten einiger muslemischer Koenige besichtigen. Dafuer musste man durch ein kleines Dorf gehen, indem uns die Kinder wieder freundlich begruessten, lachen, spielen tralalala, wie man es von Indien kennt. Auf dem Rueckweg sind wir dann jedoch von einem Jugendlichem mit Tomatem beschmissen worden. Er verfehlte uns zwar, aber es genuegte, um unsere heitere entspannte Stimmung, die wir am Vortag wieder aufgebaut hatten, einen gefaehrlichen Knacks zu verpassen. Wir haben uns die ganze Zeit gefragt, ob das Gefuehl, in Hyderabad nicht willkommen zu sein, von den Ereignissen des ersten Tages herruehrte und wir uns dies alles nur einredeten. Hier war ein objektives Zeichen, dass es auf jedenfall Menschen gab, die unsere Anwesenheit nicht begruessten. Im Bus kam es dann zu einer letzten Episode, die unsere Abneigung gegen die ansonsten schoene Stadt Hyderabad untermauerte:
Nicole wurde waehrend unseres gesamten Hyderabad-Aufenthaltes von den jungen Maennern begafft. Hiermit mein ich nicht die ueblichen erstaunten Blicke der Inder, die einen die ganze Reise begleiten, sondern eher herablassende und fast schon sexuell belaestigend. Ich selber habe Nicole dann nahe hinter mir gehen lassen und konnte die Blicke dieser Typen selber sehen, die, als sie danach nich sahen, meist den Kopf abwendeten. Trotzdem lag zum ersten mal in Indien die Moeglichkeit einer koerperlichen Auseinandersetzung in der Luft.
Natuerlich kann man das alles fuer die Produkte unseres strapazierten Geistes halten, der zur Paranoia tendiert, im Bus jedoch sitzen Frauen und Maenner getrenntund so sass Nicole 4 Reihen vor mir neben einer moslemischen Frau, waehrend ich auf den Sitzen der Maenner sass. Ploetzlich stellt sich wiedermal einer dieser obenbeschriebenen Typen neben Nicoles Sitz und starrt sie relativ ungeniert an, was ja in Indien weder verboten ist, trotzdem konnte man schon wieder erkennen, wohin das ganze wohl wieder fuehren wuerde. Und natuerlich: Obwohl sich Nicole mit Ihrer Sitznachbarin unterhielt wollte dieser Typ sie zu einem Gespraech noetigen. Nicole sagte Ihm nur, dass er sie bitte in Ruhe lassen solle, aber er liess sich nicht abwimmeln. Schliesslich musste ich aufstehen und Ihn bitten meine Frau (unsere Tarnung!
) nicht anzusprechen und bei fragen sich doch bitte an mich zu wenden. Natuerlich hat der ganze Bus das mitbekommen und der Typ hat sich direkt in den hinteren Teil des Busses verzogen ohne auch nur auf die Idee zu kommen, sich fuer sein ungebuehrliches Verhalten(in Indien ist es sehr unhoeflich eine Frau anzusprechen!) zu entschuldigen.
Diese verschiedenen Episoden zeigen uns zum ersten mal die Problematik mit bzw. als Frau durch Indien zu reisen. Bisher hatten wir damit keine Probleme. Allerdings sind wir auch bisher nur durch christliche und hinduistische Orte Indiens gereist. Wir hoffen, dass sich die obenbeschriebenen Ereignisse nicht wiederholen werden, da diese das Weiterreisen erheblich erschweren.
So bleibt als einziger Lichtblick, dass wir Hyderabad heute verlassen.
PS:
An dieser Stelle noch ein ausdruecklicher Gruss an
Stefan Schraut, der so begeistert von Hyderabad ist, und dessen Begeisterung ich nicht schmaelern will. Hyderabad an sich ist und bleibt eine schoene Stadt, die auf jeden Fall einen Besuch wert ist.