Als wir in Siam Reap das Landminenmuseum besuchten, wurde mir die Brutalitat und Sinnlosigkeit des Krieges deutlich. Noch deutlicher, wenn ich den Jungen zuschaue, wie sie Volleyball spielen, denn immer wieder ist jemand dabei, der sein Bein durch eine Mine verlor. Mehr als 10 Millionen Landminen wurden in Kambodscha in der Zeit von 1979 und 1991 gelegt. Dazu kommen ueber eine halbe Million Tonnen Bomben, die die
Amerikaner verstreuten. Viele Organisationen arbeiten an der sehr muehseligen und kostenintensiven Beseitigung.
Der Kloss im Hals liess mich keine Luft mehr bekommen, als ich das S21 (S21 stand fuer Security Office 21, mit der Aufgabe zu verhoeren und alte Strukturen auszuloeschen) in Pnom Penh besuchte.
Heute ein Museum, diente die ehemalige Toul Svay High School, dem rotem Khmer Regime in der Zeit von 1975 bis 1979 als Gefaengnis. Dieses Verhoer- und Folterzentrum lernten vor allem die gebildete Elite wie Aerzte, Lehrer, Militaerpersonal und ehemalige Regierungsangestellte, aber auch Kinder und Babys kennen. Bis 1500 Gefangene waren hier untergebracht.
Die schwarz-weiss Bilder zeigen, wie brutal hier zu Werke gegangen wurde. Ganz ordentlich wurden alle Gefangenen fotographiert, mit Nummern versehen aufgelistet. Hier wurden ausserdem auch den jungen Soldaten im Alter von 10 bis 15 Jahren das foltern beigebracht, um sie auf den Krieg vorzubereiten. Ueber 13.000 Menschen sind hier gequaelt und zu Tode gepruegelt worden. Andere wurden Kopf
ueber in einen Bottich getaucht und langsam ertraenkt. Der Stacheldraht vor den Balkonen verhinderte, dass sich die Gefangenen zu Tode stuerzten.
Viele der Folterinstrumente sind noch uebrig geblieben und machen heute den Schwachsinn dieser Epoche unbarmherzig deutlich. Ebenso ist auf dem Schulgelaende noch die Balkenkonstruktion vorhanden, an dem die Gefangenen ins Wasser gestuerzt wurden.
Die, die dieses grausame Martyrium ueberlebten wurden vor die Tore von Pnom Penh geschafft, den beruechtigten Killing Fields. 12 km suedlich von der Hauptstadt liegt Choeung Ek, wo die misshandelten Gefangenen von Toul Sleng hingerichtet wurden. Als den roten Khmer die Munition ausging wurden die Opfer erstochen, oder mit Spaten, Latten und Aexten zu Tode gepruegelt. Teilweise wurden sie hinter die Autos gebunden und zu Tode geschleift. Unter den Opfern waren sehr viele Frauen und Babys. Das Grauen hatte hier einen Namen, Choeung Ek, die Schaedelstaette wie sie auch genannt wird. Heute sind in dem 1984 erbauten Memorial die Gebeine von fast 9000 Menschen aufbewahrt. Im Jahr 1980 wurde begonnen 86 Massengraeber der Killing Fields
freizulegen. Weitere 46 blieben ungeoeffnet. In der Sonne wirkt die nun huegelige Landschaft ruhig und friedvoll. Nur die Hinweisschilder machen auf die schrecklichen Ereignisse noch aufmerksam. Fuer mich ist der Baum an dem kleine Kinder zerschmettert wurden, der brutalste Ort.
Warum ich das alles schreibe: Weil ich weinen muss, traurig und wuetend bin und mich frage, wo war ich da mit meinen Gedanken. Das alles geschah zwischen 1975-79, also, ich war damals ueber 20, ein erwachsener Mensch und hatte ueberhaupt kein Interesse an Geschehnissen dieser Zeit.
Nun ist wohl meine Zeit gekommen aufmerksam zu werden. Nachzudenken ueber unsere Vergangenheit. Ich bin natuerlich nicht fuer die Taten meiner Eltern oder Grosseltern verantwortlich. Das nimmt mich aber nicht aus der Pflicht zu hinterfragen und nicht durch mein Schweigen zu vergessen. Ich spuere, die Reise hat auch die Aufgabe, dass ich friedvoller zurueck komme. Ich habe so viele Laender und Menschen gesehen; ueber ihren Lebensraum, ihre Geschichte nachgelesen. Es sind jetzt keine zwei Monate mehr und ich komme wieder nach Hause. Ich freue mich auf Deutschland, insbesondere natuerlich mein geliebtes Koelle, die Lebensgewohnheiten hier, mein zu Hause. Und ich moechte auf mein zu Hause stolz sein. Aber dazu muss ich mich erst mal mit mir und meinem Land selbst kritisch auseinander setzen. Leider fehlte mir in der Kindheit Kritik zu lernen, doch die Kindheit ist vorbei. Diese Reise hat mir die Moeglichkeit eroeffnet Dinge anzunehmen, kritisch, aber auch mit viel Freude durch mein Leben zu gehen.
Jetzt freue ich mich erst mal ueber den Augenblick, der da heisst Sihanoukville. Hier lockt der Golf von Thailand mit 28 Grad. Waehrend die Wellen langsam mit den Fuessen spielen, versinkt die Sonne gluehend im Meer.
Ein leise Plopp bedeutet, dass die Weinflasche geoeffnet wurde. Die Nase ist damit beschaeftigt die wunderbaren Gerueche der Kraeuter und des Knoblauchs mit dem Fisch und den Krabben vom Grill in Einklang zu bringen. Jedes dieser Ereignisse ist fuer sich ja schon schoen, Tatsache ist, hier geschehen sie alle in einem Moment.